INHALT

»Allen War Ich Alles«

»ALLEN WAR ICH ALLES«

Hans ganzes Leben der letzten Jahre war ein unaufhörliches Apostolat, ein unaufhörliches Einflussnahmen auf andere, damit sie Gott dienen. Und das alles war so unaufdringlich, so liebenswürdig, dass es niemanden störte, dass vielmehr jedem seine Gesellschaft angenehm war. Sein Zimmer betrat man mit einem gewissen Respekt. In seiner Anwesenheit hat niemand, auch kein Liberaler, der ihn kannte, gewagt, irgendwelche Allusionen oder ähnliche Scherze aufzuwerfen. Und wäre ein solcher Scherz doch gefallen, oder irgendein Vorwurf gegen die Kirche oder die kirchlichen Vorgesetzten, dann trat Hans ruhig, aber energisch auf, wie wohl mit einem schmerzlichen Zug im Angesicht.

Nach Hans Tode erhielten die Eltern so viel schriftliche Kondolenzen, von bekannten und unbekannten Personen, dass es nicht möglich war, allen einzeln zu antworten. Sehr viele drücken in diesem Briefen aus, dass die ihrem besten Genossen und Freund verloren haben. Jeder dachte, dass Hans ihm ein besonderer Freund war und dass er besonders für ihn das Gute wollte. Und es war wirklich so, es war dabei keine Exklusivität: Hans hatte ein großes christliches Herz und für alle wollte er das Gute, allen war er Freund, allen wollte er alles sein, um ihnen zu helfen auf dem Wege des Heils. Mit allen, mit denen er in Verkehr trat, sprach er mit einer solchen Achtung, als spräche er mit Königen, immer auf das Gute zurückkommend, das in ihnen lag. Und er selbst trachtete jedem Einzelnen sich anzupassen in ihren Schwächen, aber immer sich selbst beherrschend in allen drei Konkupiszentien.

Der verstummelte Bettler

Hans liebte seinen Nächsten wirklich, wie sich selbst. Auch jenen, die ihm feindlich gesinnt waren, sowie jene, mit denen er ideell nicht übereinstimmte; nur jene elendsten der menschlichen Gesellschaft: die Armen.

Don Ante Radić erzählt, wie er einmal zusammen mit Dr. Merz vom Besuche der Adlerschaft in Granešina zurückkehrte:

»In der Tramway trafen wir einen verstümmelten Bettler, von dem sich jeder abwandte, denn niemand konnte das Leiden nur Unglück dieses elenden Menschen ansehen. Merz trat sofort zu ihm, beschenkte ihn reichlich und begann mit ihm ein Gespräch. Besonders freute es Hans als er sah, dass der Bettler ein guter Katholik sei und dass er für sein erbetteltes Geld sogar den »Katolički Tjednik« kaufe. Er wies ihn an öfter zum Tische des Herrn zu gehen und bat ihn zu sich in die Wohnung ein. Die vielen Menschen in dem vollgefüllten Tramway müssten sich wundern über dieses Gespräch zweier wahrer christlicher Seelen, voll wahrer Liebe gegen den Nächsten. Dieses ist nur ein kleines Bildchen, wovon ich hunderte anführen könnte«.1

»Der Apostel seiner Freunde«

Einer seiner jungen Genossen in der Leitung des Adlerverbundes erzählt, dass sich sein ganze innere Entwicklung um Hans drehte und zwar seit er mit ihm zusammentraf bis über das Grab hinaus. Hans war jener, den er einzig und allein stören durfte.2

Hans Freund in Paris und später in Professorenkörper des erzbischöflichen Gymnasiums in Zagreb und Mitarbeiter in der Adlerorganisation, Dr. Drago Čepulić, verrät uns, dass »Hans Merz sein Apostel war, derjenige, dessen apostolische Seele er als seine eigene Kinderseele und in ihm selbst sich selbst und zwar in allem jenem, was er einmal als Bestes in sich besaß, fühlte und bat. Hans wirkte auf ihn nicht vielleicht nur mittelbar mit seinen Wirken und Taten, sondern auch unmittelbar durch einen gewissen Kontakt mit seiner Seele… Und diese Berührung der Seelen gibt mehr, als jede mittelbare Wirksamkeit durch Worte und Taten…«:

»Das letzte Geheimnis, mit welchem wir auf andere wirken, liegt jenseits unseres Bewusstseins, liegt in den Tiefen unseres Wesens und kann mit unseren bewussten Denken nicht unmittelbar bemerkt werden, kann mit unserem Willen nicht absichtlich geleitet werden. Schon unser Denken und Wollen ist nur eine Offenbarung dieser Tiefe des Wesens… Deshalb ist unser unbewusstes Wirken von unübersehbarer Wichtigkeit für unser Wesen, wie auch für die Wirkung auf andere… Auf diese Weise wirken wir auf andere, aber diese können damit weder etwas neues, noch hauptsächlich etwas mehr empfangen. Nur Seelen wirken also auf Seelen und es wird tatsächlich etwas Inneres angeregt, etwas Lebwürdiges geschaffen. Deshalb ist noch nicht so wichtig, was ein guter Mensch äußerlich tut, auf welcher Stelle er steht, welche Worte er spricht, wenn sich nur seine Seele offenbart. Und andere Menschen mit allen ihren Worten sagen uns nichts.

Auf diese Art hat unser Hans auf mich von innen eingewirkt, und nicht äußerlich, denn in eigenen Dingen gingen unsere Ansichten auseinander. Da er mich aber in meinem inneren Menschen begriff, konnte ich immer zu ihm noch ausjammern kommen und er war es, der mir immer Verständnis entgegenbrachte, weshalb ich mich auch immer ihm anvertraute. Er konnte sogar auch dann »von innen« heraus urteilen, wenn das äußere viele oberflächliche Betrachter täuschte. So war ich einmal etwas erstaunt – trotzdem wusste ich, dass ich es mit einer tiefen, religiösen Seele zu tun habe – ja, ich war überrascht, als er im Gegenteil von allen, die mich vielleicht »äußerlich« ungünstig beurteilten, er bei einer Gelegenheit an mich herantritt und mir leise ins Ohr sagt: »Drago! Sie sind nicht so, wie sie »äußerlich« schienen.« Ich wusste sofort: »Dieser kennt mich, dieser weiß, was der Paulus den Kampf zwischen Menschen in uns, nennt.« Und dieser Kampf kann uns in der Selbsterkenntnis selbst täuschen; jetzt sehe ich mehr noch als früher ein wie gut mich Hans erkannt hatte.

Darum fühlte sich der Mensch vor ihm als wäre er bei sich zu Hause; ich fühlte auch in seiner Gesellschaft niemals gefesselt, gebunden; ich brauchte kein saureres Gesicht zu machen, mich niemals auf einen schwermutigen Heiligen hinaus spielen. Der selige Bischof Lang sagte, dass es »am besten sei, wenn jeder bei seiner Natur verbliebe.« Nur muss man freilich Natur veredeln und in die Sphäre der Gnade emporheben. In Hans Gesellschaft konnte jeder »bei seiner Natur bleiben«, denn er war ein geistiger Mensch.3

»Vor seiner Abfahrt von Paris, im Sommer 1922, brachte mir Hans in die Wohnung »Eléments de Philosophie« von Maritain. Es war ihm darum zu tun, dass ich die tomistische Philosophie kennen lerne. Damals kannten wir uns schon gut, nur, dass er – wiewohl jünger als ich – der Apostel seines älteren Freundes war. Er lud mich zu den Veranstaltungen des sogenannten Comité catholique. Er versorgte mich mit Literatur und mit Beilegen über zeitgenössische, französische Autoren, er führte mich um Choralgesang zu hören.

Auch später, in Zagreb, nötigte er mich zur richtigen Frömmigkeit an, führte mich in der höhere akademische Kongregation ein, um ihn als Sekretär zu vertreten, und zur Andacht zum Herzen Jesu, lernte mich die Adlerorganisation zu kennen, mit ihm gemeinsam lernten wir bei Pater Alfirević Scholastik…

Ich erinnere mich immer wieder einer Zusammenkunft in Paris, von dem Hans später sicherlich keine Ahnung mehr hatte. Er war dies auf einen Boulevard in der Nähe der Sorbonne. Auch ich erinnere mich übrigens nicht mehr, worüber wir sprachen. Ich sehe im Geiste nur mich und ihn dort an der Ecke am Trotoir vor einem Kaffehaus: ich höre und höre wie Hans spricht, denn schon lange habe ich niemanden so sprechen hören. Ich war der Sprachen der Liberalen satt, die mich ohne in moralischen Schwierigkeiten ohne Geiste ließen nur die Rede Hans war eine Rede, wie ich sie als kleines Kind gehört habe gehört, und Genuss gefunden hatte im Bedienen des Priesters beim täglichen Gottesdienste und dem heißen Gebete… Hans verstand es zu jenem in mir zu reden, der bei allem die alte Liebe aus der Kindheit doch nicht verlassen wollte; in ihm fühlte ich immer die von Natur aus christliche Seele. Seine Worte waren wie die Substanz einer langen Meditation wie sich verstand er zu sprechen, warum mich jene Gelegenheit erinnert, als wir lange demnach im Konferenzsaal des erzbischöflichen Gymnasiums zur Zeit einer Unterrichtspause beim Fenster stehend und gegen die Zagreber Berge schauten. Wir sprachen über den freien Willen und über die Sünde einige Worte, wie wir dieses gelegentlich zu tun pflegten. »Das ist ein großes Mysterium, die Sünde«, sagte Hans. Wir haben uns abermals verstanden.«4

»Der Engel des Trostes«

Don A. B. bekennt, dass wenn immer er mit Dr. Merz beisammen war sich als besser und tugendhafter verabschiedete. Dr. Merz hat, sagt er alles, in Lichte des übernatürlichen Lebens betrachtet und wenn etwas in Nebel erschien oder schwarze Wolken am Horizont unserer idealen Arbeit auftauchten, genügte es Dr. Merz aufzusuchen, mit ihm zu sprechen und sich Rats zu holen und schon atmete die Seele freier und die Dunkelheit vor den Augen entschwand. Schon die Erscheinung seiner Person wirkte edifikant…:

»Ich war ihm persönlich dankbar für viele Versuchungen und Ratschläge und am meisten für seinen wahrhaft heiligmäßigen Trost. Ich habe in Leben manches erlebt, aber die größte Wunde meiner Seele und die bitterste Erniedrigung meiner heiligsten Ideale war eine schwarze Verleumdung meiner Feinde, so dass ich beschlossen hatte die katholische Religion zu verlassen und zum altkatholischen Glauben überzutreten… das Herz blutete mir und die Seele schmerzte mich und ich fand niemanden, der mich tröstete, außer dem eucharistischen Jesus in der hl. Messe. Als der gute Dr. Merz davon erfuhr, sendete er mir in seinem Edelmut folgend, herrlichen Brief:

»Zagreb, 2.IV. 1928

Von M. erfuhr ich, wie man dich verleumdete und wie viel du deswegen leidest, weist man deinen guten Ruf nicht mehr schont. Gott will sicherlich, dass du dich auf die kristallene Höhe evangelischer Seligkeit emporhebst, denn solch große Prüfungen werden nur jenen geschickt, die auf den Pfaden der Vervollkommnung schreiten. Könntest zuerst die Süßigkeit der Worte des Heilands begreifen: »Glückseelig jene, die verfolgt werden und über die alles Böse geredet wird…«, wenn du nicht an dir selbst das alles erfahren würdest? Darum empor die Herzen und nehm dieses königliche Geschenk des Herrn freudig an. Ihm selbst überlasse es den Sieg der Wahrheit zu erkämpfen, denn Er will nicht, dass die Menschen glauben sollen, dass sie ohne Ihm etwas tun könnten. Nimm anlässlich der Osterfeiertage alle meine Wünsche entgegen, dass du diese Feuergrobe heroisch erträgst und dass du je mehr dem geistigen Guten der Seele nützest, die dir anvertraut sind.

In Christus ergebener

H. Merz«

Diesen goldenen Brief drückte ich an mein Sarg und befriedigt rief ich aus: »Dank die, du Mensch Gottes, der du mich vollkommen getröstet hast als ein wahrer Engel des Trostes«.5

»Der gute Geist«

Unter den vielen Verehrern des Dr. Merz befindet sich ein Geistlicher von der Insel Hvar (Lesien), welchen Hans liebte als »temperamentsvollen Menschen, voll Ekrasit, Begeisterung und Revolte«. Dieser Geistliche betrachtete unsern Hans nicht nur als seinen Freund, sonder auch als seinen geistlichen Führer. Er erzählt, wie ihm Hans bei der hl. Messe diente und wie er Hans die hl. Kommunion erteilte. »Indem ich ihm die hl. Hostie reichte, erschien er mir, als ob von seinem Angesicht irgendwelche Strahlen ausgingen, so engelsreich und Licht war es um ihn, förmlich verklärt, wie man es nur auf den Bildern des hl. Aloisius sieht… Ich werde diese Minute der Offenbarung nie vergessen! »Oh, du wurdest verdienen, dass du die hl. Messe ließt und dass ich die ministriere« so seufzte ich bei der Rückkehr auf, aufgeregt, mit ihm in der Sakristei, wo er wieder lange, lange betete…6 Dieser Priester hat einer seiner Erlebnisse, das nur ihm und Gott bekannt ist, in Jahre 1929 in Verse gekleidet, welche er nur, als ich ihn um einige Beiträge über Hans gebeten hatte, zum Verfügung gestellt:

Ewig begegne ich ihn, der als guter Geist mich begleitet,

dass er, - wenn ich mich verirre – auf richtigen Weg mich führe.

Lieb gab er in der Nacht hinaus Begräbnisses

Mir ein Stück seines Himmels. Und als ob er erkannte

Alles, was mir Elenden nötig, dass ich auf den Wegen nicht falle,

Er beleuchtete mir Gegenden, die mir noch unbekannt waren.

Hans schrieb diesem Priester einmal: »Ich habe ihre Sachen gelesen… In gibt es viele Bomben, Granaten und Ekrasit und andere poetischen Requisiten«. Und dieser antwortete ihm scherzhaft: »Verlassen Sie mich Doktor, denn ich bin für Sie ein Bohemien!« Hans ließ ihn nicht aus den Augen und wollte ihn Schritt für Schritt von seinem Bohemien reinigen.

Vater und Sohn

Wie viel und auf welcher Weise Hans auf das religiöse Leben seiner Eltern Einfluss ausübte, haben wir schon früher gesehen. Hier will ich nur eine Gelegenheit anführen, aus Wien, die mir Hans Vater erzählte. Wir erinnern uns, dass sein Vater Berufsoffizier war. Damals war es nicht üblich, dass Staatsbeamte in Uniform, besonders Offiziere, in der Kirche, also auch nicht bei der hl. Messe knieten. Auch Hans Vater, wie er mir in seiner Demut selbst erzählte, fand es nicht für angebracht in der Kirche zu knien. Während des Krieges, als Hans vorrübergehend als Reserveoffizier in dem Militärgaskurs kommandiert war, besuchte ihn der Vater in Wien. Eines Sonntag gingen beide an der Michaelkirche vorüber. Als sie Orgelklänge hörten, betraten sie die Kirche. Hans bekreuzte sich mit Weihwasser, ließ sich sofort auf beide Knie nieder und betete in tiefer Andacht. »Ich«, erzählt sein Vater, »blieb Stehen und als ein förmliches Wunder, aber doch gerührt, betrachtete ich den Offizier, mein Kind, wie es kniete. Sein Beispiel hat so mächtig auf mich gewirkt, dass auch ich niederkniete und kniend betete. Dem Einfluss meines Kindes verdanke ich es, dass ich von da an meine Gebete immer kniend verrichte.«

»Der Ritter weiblicher Ehre«

Es ist bezeichnend, dass sich eine solche Einwirkung der Persönlichkeit des Dr. Merz nicht nur auf das männliche Geschlecht begrenzte. Obwohl er relativ noch sehr jung und kein Geistlicher war, übte er doch einen bedeutendsten Einfluss auf viele weibliche Seelen aus. Seinen zahlreichen Bekannten aus katholischen Kreisen, besonders den Adlern und Adlerinnen, war er immer zu helfen und zu Gefälligkeiten bereit, immer war er fein und taktvoll. Als er das Erstemal mit der Wallfahrt nach Rom kam, nahm er einfach den ziemlich schweren Koffer eines Mädchens, die sie der gleichen Gruppe eingeteilt war und die ihm erst in Venedig dargestellt worden war, und trug ihn von der Tramway bis zur dem Orte, wo unsere Wallfahrer untergebracht waren. Dem Mädchen tat es leid, dass er sich mit ihrem Gepäck klage, aber sie nahm diese Gefälligkeit als ob er ein alter Bekannter wäre, denn die Persönlichkeit des Dr. Merz goss soviel Vertrauen in ihre Seele ein, als ob sie ihn schon lange kennen würde. Gelegentlich eines Kurses der weiblichen Adlermitglieder, den das Mädchen später leitete, beschwerte sie sich bei ihm, dass sie keine Ausübende habe, die mit ihr ginge. Er trug sich selbst an, eine solche zu sehen und tatsächlich ordnet er telefonisch und telegraphisch alles in der Weise dass zum Kurse der Adlerinnen eine Ausübende erschien. Als er erfuhr, dass dieses Mädchen nach dem amtlichen Teil des Kurses wegzugehen gedenke, riet er ihr auch bei dem »heiteren« Teil zu verbleiben, damit sie durch ihr gutes Beispiel wirken könne. Zu diesem Zwecke pflegte auch Hans bei den »heiteren« Unterhaltungen der Adler anwesend zu sein. Obzwar noch selbst jung, hatte er volles Verständnis für jedem je den Tagen, als dieses Mädchen schwere Prüfungen und Verleumdungen ausgesetzt war, hat ihr Hans Verständnis entgegengebracht und sie fühlte es auch. In seinem Takt rührte er nicht an der empfangene Wunde, aber er war bereit ihr zu helfen. Obwohl Kongreganistin und Mitglied der Adlerorganisation kämpfte sie einmal, am Tage des hl. Blasius, mit sich selbst ob sie zum Altare treten solle, um vom Priester den Blasiussegen gegen Hals übel zu empfangen. Rücksicht auf die Menschen bemächtigte sich ihrer und dieser Segen begann ihr, wie sie selbst sagte, irgendwie unangenehmer zu erschienen. In diesem Augenblick stand Dr. Merz, der gleichfalls in der Kirche war, auf und mit gehaltenen Händen trat er zum Altar um den Segen zu empfangen. Dieses sehend, beherrscht das Mädchen ihr Vorurteil, dass sich in ihr zu melden begann, stand gleichfalls auf und ging zum Empfange des Blasiussegnes.

Besonders hatte Dr. Merz Einfluss auf die Adlerinnen und zwar nicht nur im schriftlichen Verkehr, mehr noch doch sein persönliche Wirksamkeit auf deren Führerinnen namentlich hinsichtlich der katholischen Aktion, des wahren katholischen Geistes und der christlichen Bescheidenheit. Sie nehmen alles vor dem auf und führten es in Leben durch, denn es kam vom Dr. Merz, welcher für sie diesbezüglich in diesen Sachen als Autorität gelt. Und zwar nicht nur als eine gelehrte Autorität, welche in diese Sachen eingeweiht ist, sondern auch als Autorität den alles selbst gewissenhaft erfüllte, was sie andere sagte. »Dr. Merz war«, sagt Monsignor Beluhan, »ein vollkommen einfacher Mensch. So war er auch in Verkehr mit den weiblichen Mitgliedern des Adlerverbandes. Deshalb ist auch ihre Trauer über seinen Verlust der äußere Ausdruck der hohen Achtung und des Schmerzens nach ihm«.

Aus Sv. Križ rät Hans am 17. VII. 1927 dem Frl. M. Marošević, die am Sarajever Adlerinnenkongress einen Vortrag über die Bedeutung der Adlerschaft in der katholischen Aktion zu halten und die ihm um Weisungen gebeten hatte folgendes:

»Bei dem Vortrage, die Adlerschaft und die katholische Aktion« seien sie nicht zu sehr theologisch, allgemein und sentimental. Ich denke, dass es zweckmäßig wäre darzustellen, wie der Bischof Mahnić zwei große Ideen in das katholische Leben der Kroaten hineintrug: die Applikation der praktischen, sozialen Richtlinien des hl. Stuhles (Erklärung der Enzykliken der Päpste Leo XIII. und Pius XI.), welche den spekulativen Katholizismus dem Leben angehen und welche dem gesamten sozialen Leben ein katholischer Merkmal aufdrücken wollen, wer auch die Wichtigkeit des Laikats, in dieser sozialen Rechristianisierung. Diese Bewegung war im Anfange katholisch, rational, aber nichtpolitisch. Diese Merkmale sind die Ursache so großer Begeisterung der ersten Beweger. Dann können sie die Deviation darstellen: die Schaffung irgendwelcher neuer Ideologien, die aus Laienkreisen hervortreten und die Vermischung der Kirchenlehre mit irgendwelchen Beimischungen, das Abweichen vom nationalen auf einem politischen Gebiet, der Interkonfessionalismus, die sachliche Führung der ganzen Bewegung unabhängig von den Bischöfen, die volle Vernachlässigung des Studiums der kirchlichen Weisungen und der katholischen Autoren u. s. w. Weiter können sie darstellen, wie das Adlerwesen providenziell ist vom Ideenstandpunkte, denn es hat alle späteren Einschläge und die ausschließliche Laienideologie eliminiert und stellte es sachlich unter die Führung der kirchlichen Hierarchie, es eliminierte auch die Parteientätigkeit und begann gemäß den Richtlinien des hl. Stuhles und der Bischöfe zu arbeiten und warf sich auf das Studium der katholischen Autoren. Dann erklären sie die Bedeutung der katholischen Aktion und heben sie die Idee des Laienapostels hervor, wie es Pflicht sei des weiblichen Mitgliedes der Adlerorganisation, um Apostel des katholischen Radikalismus überall zu sein (religiöse Kultur, Unterhaltung, Verlobung, Mode, Familie u. s. w.).«

Dann fügt er hinzu, dass er einen größeren Artikel dem hochwürdigem Herrn Kamber, Redaktion des Katholischen Tjednik eingesendet habe, »dass die Katholiken nicht zur Überzeugung kommen sollen, dass das allgemeine Wahlrecht ein Ideal sei, nach welchen auch die Frauen streben müssten, sondern dass wahrscheinlichste die vollkommene Form das Stimmrecht der Familie sei. Und auch deshalb, damit die Katholiken nicht glauben sollen, dass der zeitgenössische Katholizismus die Anhängerschaft an das Frauenwahlrecht fordert. Auf diese Weise können die Adlerinnen diese große Aufgabe auch ohne Prätention des politischen Feminismus erfüllen.«7 Die Frl. Stanković, die heutige Präsidentin der »weiblichen Kreuzritter« beschreibt den Einfluss des Dr. Merz auf ihre Auffassung und das Leben folgendermaßen:

»Kurze Zeit nach Merz Rückkehr aus Paris hatte ich Gelegenheit ihn persönlich kennen zu lernen. Wir sprachen über die Zusammenfassung unserer Jugendlichen in katholische Genossenschaften. Ich war erstaunt über Merz breiten Gefühlskreis, sein tiefes Willen, apostolische Glut für katholische Dinge und namentlich über seine intensive persönliche Vertiefung. Eines hat mich besonders interessiert – seine Ansicht über die weiblichen katholischen Organisationen in der Welt und bei uns. Merz hat gut eingesehen, wie wichtig die Organisation der weiblichen Jugend bei uns ist. Er trug mir die Grundlegungen für diese Organisation vor; sprach darüber wie wünschenswert es für die Kirche sei, dass diese Frauenorganisationen aktiv an der katholischen Aktion teilnehmen und er entwarf einen Plan auf welche Weise dieses durchzuführen wäre.

Ich hörte ihm aufmerksam zu und in meinem Angesicht konnte er lesen wie ich mit ihm in Einvernehmen stehe. Ich war schon lange organisiert, sogar in der Leitung der früheren Adlerinnenorganisation aber vieles war mir in ideeller Hinsicht noch unklar. Merz bemerkte es und er entwarf einen Plan, wie er mich vollständig für die Suche Gottes gewinnen könne.

Gelegentlich einiger Spaziergänge erklärte er mir die Grundsätze und die Struktur der katholischen Aktion. Ich verstand ihn, aber noch etwas war notwendig. Meine Toilette war nicht den strengen Vorschriften der Kirche gemäß. Das war vielleicht der härteste Punkt.

Deshalb suchte er einen schönen Frühlingstag aus, zu einem Spaziergang nach Remete sicherlich hat er auf dem Wege die Seele zur Reinsten Frau erhoben und bat sie, dass sie seinen Worten göttliches Feuer für diese delikate Sache gebe. Und er begann zu sprechen wie der Apostel das apostolische Kleid benötige. Ich stimmte mit ihm überein. Als aber seine Ausführungen konkret wurden, da fiel sein Blick auf die kurzen Ärmel meines Kleides und betroffen sagte ich: »Vielleicht wird jemanden auch dieses nicht katholisch radikal erscheinen.« - »Ja, Fräulein, dieses kann mit dem gewöhnlichen katholischen Leben noch harmonieren, aber niemals mit dem eines Apostels«, war seine Antwort.

Dieses war der entscheidende Schritt hinsichtlich der radikalen katholischen Grundsätze in der Kleidung, welche wenig später unsere organisierte weibliche Jugend durchzuführen begann.

Gelegentlich der Wahlfahrt der kroatischen Adlerinnen nach Rom schloss sich außer einigen Geistlichen auch Dr. Merz an. Eines Nachmittags holte er mich ab, damit wir die Zentralen der katholischen, weiblichen Organisation besuchen. Zuerst kamen wir in die Zentrale der Akademikerinnen. In die sehr einfachen Räume führte uns eine Studentin der Philosophie im zweiten Jahr. Bescheiden gekleidet, mit glatt gekämmten Haar und reinen, klaren Profil. Ein Gespräch begann. Mit einfachen Worten skizzierte sie uns das Leben und die Arbeit ihrer Organisation, ihre Schwierigkeiten und Erfolge. Manchmal erglühte ihr Gesicht und die dunkelgrünen Augen leuchteten unter der weißen Stirne begeistert auf. Aus ihren ganzen Wesen strömte der Duft frischer Jugend, einer Jugend, welche im eucharistischen Christus lebt und sich entwickelt. Ich war von ihrer Erscheinung entzückt.

Und Merz? Auch er sagte begeistert: »Im Schütze des Katholizismus können solche weiße Blumen leben, die zu sich einen reichen Inhalt und die ewige Schönheit der weiblichen Seele tragen. Wo immer der Katholizismus blüht, können Sie sie immer in Fülle finden.«

Wie warm rührte mich diese Antwort! In einer Zeit, in der die weibliche Würde und Ehre herab gezerrt wird, in der man die Frau als einfache Sache betrachtet, gibt es noch Ritter, welche die Reinheit der weiblichen Seele begeistert.

Ja, du toter Ritter, jetzt verstehe ich deine demutvolle Verbeugung vor dem einfachen Altar in Florenz, vor jenem Altar, wo einst der junge Aloisius Gonzaga die ewige Reinheit der Himmelsmutter gelobte. Auch dich, wie ihn, hat die unbefleckte Reinheit und ewige Schönheit der Seele der reinsten Frau erobert!

»Eine Adlerin beschwerte sich vor Dr. Merz über verschiedene Schwierigkeiten, die sie in ihrem Berufe begleiten. Darauf fängt Dr. Merz verwundert: »Darüber beschweren sie sich? Solche Schwierigkeiten müssten wir geradezu mit Wonne schlürfen«. Diese Worte charakterisieren wirklich nun besten seinen Opfergeist.«8

»Beim Besuch der Adlervereinigungen hielt Dr. Merz regelmäßig einen oder den anderen Vortrag auch den Adlerinnen und seine Wahrnehmungen über den Stand des Vereines teilte er den Mitgliedern der Zentrale mit. Jeder Erfolg dieser Organisationen freute ihn, er unterstützte unsere Presse, brachte uns Nachrichten von ausländischen weiblichen Organisationen. Besonders verehrte er unsere Schutzpatronin die hl. Jeanne d'Arc, deren Lebensbeschreibung er verfasste und sie der weiblichen Adlerschaft widmete. Da es das Ziel der Adlerschaft ist, in die Reichen der kroatischen Jugend die moralische Erneuerung hineinzutragen, meinte er, dass gerade die weiblichen Mitglieder der Adler berufen sind, Pioniere dieser Erneuerung zu sein. Deshalb hebt er immer, öffentlich und privat, hervor, dass die Adlerinnen die Trägerinnen des menschlichen Radikalismus und die ethischen Vorbilder den Adlern sein müssen.«9

Nichtselten haben auch Damen der Gesellschaft ihre Schwierigkeiten und kleinlichen Alltagssorgen, aber auch die großen Fragen, die Seele erschütternden, Hans anvertraut. Für alles fand er Verständnis, ein gutes Wort, einen Rath und das Gebet…

Als er schon auf der Klinik war, empfing er unter andern auch einen Brief aus Leysin in der Schweiz, von einer schwerkranken Studentin der Medizin, die dort zur Erholung weilte. Hans hat sie in seinem Tagebuche, als er am 30. VII. 1921 nach Lourdes ging, als Konvertitin erwähnt, die die Absicht hatte in B. eine Kinderklinik zu gründen und hinzu französische barmherzige Schwester einzuladen. In Paris wurde sie mit dem Katholizismus bekannt und trat vom griechisch – orientalischen Glauben in die Katholische Kirche über, hierbei alle Schwierigkeiten bewältigend, die sich diesem ihrem Schritte entgegenstellten. Öfters meldete sie sich brieflich ihm ihre persönliche und seelische Ängste anvertrauend und bat ihm um Hilfe und Trost. Diesmal konnte er nicht antworten, denn er lag am Sterbebette. Einige Tage nach seinem Tode langte ein rekommandierter Brief von Leysin an. Seine Eltern, wissend woher er stamme und, um ihn nicht rücksenden zu müssen, öffneten das Schreiben. »Warum das Schweigen? Warum antworten sie mir nicht? Wissen sie nicht, dass sie der einzige sind, dem ich auf dieser Welt mich anvertrauen und der mich mit dem Gotteswort trösten kann?« Der war ungefähr der Inhalt des Briefes, adressiert an den damals schon toten Hans. Im Namen der Eltern antwortete ich damals dem Fräulein auf Schreiben, ihr vorsichtig den Grund von Hans Schweigen mittheilend. Einige Tage darauf erhielten Hans Eltern Antwort auf meinen Brief. Hier ist der Inhalt desselben, den Fräulein R. bei dieser Gelegenheit an Hans Eltern richtete: »Leysin, 29.V. 1928, Gestatten sie mir, wiewohl ich ihnen unbekannt bin, dass ich ihnen meine wärmste Anteilnahm in ihrer so großen Trauer ausspreche. Ich möchte auch, dass ich ihnen danke, für ihre Güte, die es mir ermöglichte über die letzten Augenblicke des Herrn Merz ausführliches zu erfahren. Ich verliere in ihm den einzigen Führer, den ich in religiöser Hinsicht, in der Heimat hatte, aber, er wird mir vom Himmel zu Hilfe kommen, ich vertraue fast darauf.« Und diese Seele hat Hilfe aus dem Himmel wahrlich gebraucht. Schon der Brief vom 20. Mai an Hans war auch von ihrem Sterbebett geschrieben und schließt mit den Worten: »Ich bete täglich zu Gott, dass er mir Kraft gebe, denn sie beginnt schon zu schwinden.« Dem Brief von Zagreb am 2. VII. 1928 kam mit dem Vormerk zurück: »Décédé« - gestorben. Ihre leidende Seele – das Fräulein war lange Zeit schwer krank – hatte sich schon von Körper losgelöst und in Himmelshöhen, wie wir hoffen, an der Seite ihres Heilands und Schöpfers, auch die Seele ihres Trostes und Ratgebers in geistigen Dingen, die Seele des Dr. Hans Merz gefunden.


1 Zeitschrift »Narodna Straža«, Šibenik 1928, 16. V. Nr. 18.

2 Dušan Žanko: Vom Menschen Gottes, Zeitschrift »Nedjelja« 1929, Nr. 21, Seite 4. Auf Prof. Valečić hebt hervor: »Mein ganzer Verkehr, ob männlich ob weiblich, mit dem verstorbenen Dr. Merz diente mir zur innere Vervollkommnung und Edifikation. (»Nedjelja«, 11. V. 1930, Nr. 19., »Einige Erinnerungen an Dr. Hans Merz«.

3 Dr. Drago Čepulič: »Die Seele des Dr. Hans Merz«, Zeitschrift »Orlovska misao« 1929, VIII. Seite 101, 102.

4 Dr. Drago Čepulić: »Erinnerungen an Dr. Hans Merz, Zeitschrift »Nedjelja« 1929, Nr. 5 und 6.

5 D. A. B. »Der Engel des Trostes«, Zeitschrift »Orlovska misao«, 1928/9, Nr. VII., Seite 106.

6 M. B – ć: Merz hl. Kommunion, Zeitschrift »Nedjelja« 1930, Nr. 41, Seite 5.

7 Dieser Artikel trug die Aufschrift »Bischof Mahnić über Frauenfragen« und war abgedruckt in Wochenblatt »Katolički Tjednik« 1927, Nr. 31 und 32.

8 Zeitschrift »Za Vjeru i Dom« 1928, Nr. 6, Seite 152.

9 Ebendort.