Andreas SCHONBERGER, «Iwan Merz - Ein Jugendapostel des 20. Jahrhunderts III», Der Fels, Regensburg, travnja 1981., br. 4, str. 114-115

 

Iwan Merz
Ein Jugendapostel des 20. Jahrhunderts (III)

 

Aufmerksam studierte - der junge Mann Aufbau und Tätigkeit katholischer Organisationen in Frankreich. Tief beeindruckt ihn die Spiritualität der damaligen »Association catholique française«. Über eine Zusammenkunft derselben berichtet er: »Nach Beendigung der Diskussion, die sich mit den Nöten im öffentlichen Leben beschäftigt hatte, wandten sich alle dem Allerheiligsten zu und sangen einstimmig: O salutaris hostia, Magnificat, Tantum ergo ... Das begeisterte Singen war der künstlerische Ausdruck der Einheit ihrer Herzen, eine Bekräftigung des katholischen Glaubens im katholischen Frankreich des 20. Jahrhunderts. Die Franzosen - wenigstens die, die ich heute erlebte - können stolz sein auf ihren Klerus und ihre Jugend.« Heute würde Merz in Paris vergeblich nach einem solchen Erlebnis suchen. Heute stieße er hier vor allem bei den verschiedenen Gruppierungen der »Katholischen Aktion« auf jene »Exzesse des Christozentrismus«, die Jean Milet in »Dieu ou le Christ« wie folgt beschreibt: »Man verzichtet auf die letzten Spuren des theozentrischen Glaubens; man spricht nicht mehr von der Sünde, noch über die Heilsnotwendigkeit, noch über die Buße, sogar nicht mehr über das Jenseits. Man vernachlässigt die Themen: Gnade, Vorsehung. Nur die >sozialen< Themen werden in Betracht gezogen. Ein Christ ist einer, der sich in den sozialen Kämpfen engagiert, der sich befleißigt, materieller Not abzuhelfen (man denkt nicht mehr an sittliche Not, an sittliches Versagen). Die sogenannte >religiöse< Praxis beschränkt sich auf die Abhaltung von Versammlungen, wo man sich zu sozialem Eifer gegenseitig ermuntert, seine revolutionären Ideen austauscht. Der Ritus der Eucharistie wird betrachtet als eine brüderliche Agape, bei der der Genuß von Brot und Wein die Rolle eines Symbols für die gegenseitige Liebe spielt2

 

Gereift in inneren und äußeren Kämpfen, tief fromm und erfüllt von dem leidenschaftlichen Verlangen nach der Rettung der Seelen, kehrte Hans im Herbst 1922 nach Zagreb zurück. Seine spätere Mitstreiterin im Jugendapostolat, Marica Stancovicus, schreibt über diese Ankunft: »Ein neuer Mensch ging an unserem Horizonte auf. Es kam em Mensch, dessen Glaube nicht bloße Gewohnheit war, sondern Leben. Und die apostolische Arbeit betrachtete er nicht als Hobby (als soziales Engagement würden wir heute sagen), sondern als Kampf um die unsterblichen Seelen« (Hervorhebung durch uns). Nur knappe sechs Jahre der Wirksamkeit waren Hans in Zagreb vergönnt. Doch in dieser Zeit hat er eine tiefe Spur hinterlassen. Er war die verkörperte Liebe zu Gott und dem Nächsten, die keinerlei persönliches Interesse kannte. Seine ganze Freizeit opferte er der Jugendarbeit. Gott erfüllte seine Seele mit seinem Licht und seiner Anziehungskraft und gab durch ihn Beweise seiner Gegenwart. Viele bezeugten, letztere in seiner Nähe besonders empfunden zu haben (z. B. Kardinal Seper, P. Irenäus Hausherr SJ). Andere erlebten Gefühle der Freude, des Lichtes, etwas Unerklärliches, das aus seinem Wesen strömte und zum Guten anregte.

In Zagreb wurde Hans Merz sofort zum Vorsitzenden des bereits bestehenden katholischen Jugendbundes gewählt, der sich ein Jahr später »Hrvatski Orlovski Savez« (Kroatischer Adlerbund) nannte. Ziel der Vereinigung war die Erziehung und Bildung der Jugend im Glauben, in geistiger und moralischer Hinsicht, sowie die körperliche Ertüchtigung. Tatsächlich aber standen Turnveranstaltungen, Ausflüge und sonstige ahnliche Kundgebungen im Vordergrund. Hans intensivierte das religiöse Element im Adlerbund, der von ihm den Leitspruch übernahm: »Opfer, Eucharistie, Apostolat«. Er selber studierte, um seiner Aufgabe besser gerecht zu werden, von 1923 bis 1925 privat noch Philosophie und Theologie. Über seine Arbeit unter der Jugend erfahren wir von einem Augenzeugen: »Johannes kam nach Hvar und versammelte die Jugend. Er brachte eine schöne Gruppe zusammen. Je mehr er redete, desto mehr verlangten wir danach, ihn zu hören. Oft fuhren wir mit einem Schiff aufs Meer, und dabei begeisterte er uns für die Kirche und die Sache Gottes« (Hervorhebung durch uns). Die Ende 1922 von Papst Pius XI. herausgegebene Enzyklika über die katholische Aktion fiel bei Merz natürlich auf fruchtbaren Boden. Er machte sich ihre Gedanken zu eigen und veröffentlichte im Jahre 1927 eine Broschüre über »Die katholische Aktion«. In seiner Einleitung skizziert er deren Wesen als »Mitwirkung der Laien am hierarchischen Apostolat der Kirche. Ihr Ziel ist das Königtum Christi in der Gemeinschaft, wodurch die Vorbedingungen dafür geschaffen werden, daß der Mensch Gott liebgewinnt und so seine ewige Bestimmung erreicht.« Als Mittel werden angegeben:

Willensbildung nach den Grundsätzen der Kirche; Bildung des Verstandes durch philosophisch-theologische Studien; soziologische Ausbildung: an erster Stelle Studium und Förderung der Bedingungen für die innerliche Königsherrschaft Christi, und dann erst der äußeren. Die Förderung nach außen gründet auf dem Studium und der Anwendung sämtlicher päpstlicher Enzykliken und Weisungen der zuständigen Bischöfe. Alle diese aszetisch-religiösen, philosophischen, theologischen und soziologischen Bildungsmaßnahmen stehen im Dienst der Rettung und Heiligung der Seelen. Durch die Katholische Aktion verbreitet die Kirche die innerliche Königsherrschaft Christi. Das Reich der Gnade heiligt die unsterblichen Seelen und bereitet sie so vor auf das ewige Reich der Glorie, auf das alle menschlichen Bestrebungen hinzielen müssen. Diese Grundsätze verankerte Hans in der Jugendarbeit seiner Heimat, was allerdings nicht immer ohne Widerstand vor sich ging. Widerstand gab es vor allem in den eigenen Reihen, den Hans mit großmütiger, verzeihender Liebe ertrug.

Im Jahre 1927 wurde Hans, der schon immer mit einem ihn sehr hemmenden Augenleiden behaftet war, ernstlich krank, und zwar, wie sich erst ein Jahr später herausstellte, handelte es sich um eine akute Kiefernhöhlenentzündung. Da es den Ärzten durch einen operativen Eingriff nicht gelang, den Eiterherd zu beseitigen, kam es zu einer Hirnhautentzündung, die zu seinem Tode am 10. Mai 1928 führte. Seine großen Schmerzen ertrug Hans mit bewundernswerter Geduld. Bevor er sich zu der Operation ins Krankenhaus begeben hatte, hatte er noch — offenbar in einer Vorahnung seines nahen Todes - seine Grabinschrift verfaßt, und zwar in Form eines Testamentes in lateinischer Sprache. Nachstehend die deutsche Übersetzung:

»Er verschied im Frieden des katholischen Glaubens. >Christus war mein Leben und Sterben mein Gewinn.< Ich erwarte die Barmherzigkeit des Herrn und den unverlierbaren, vollkommenen, ewigen Besitz des Allerheiligsten Herzens Jesu.

I(van) M(erz) selig am Ort der Ruhe und des Friedens.

Meine Seele erreicht ihr Ziel, für das sie geschaffen ist.

IN CHRISTUS GOTT.«

 

Unmittelbar nach seinem Hinscheiden ließ man die Trauerglocke der Kathedrale von Zagreb läuten, zum erstenmal für einen Laien. Sein Begräbnis gestaltete sich zu einem wahren Triumphzug. Bald schon begann man, sich in leiblichen und seelischen Nöten an den Verstorbenen zu wenden. Es gab zahlreiche Gebetserhörungen. Von einem Wunder muß man im Falle der Anica Ercegoviæ sprechen, die mit 19 Jahren an Lungentuberkulose, Gelenkentzündung und Rheumatismus am ganzen Körper erkrankte. Sechs Jahre hindurch war sie ohne Erfolg von verschiedenen Ärzten behandelt worden. Im Jahre 1930 betete sie am Grab von Ivan Merz, und kehrte vollkommen geheilt nach Hause zurück. Auf Grund der Bemühungen von Kardinal Seper wurde am 10. Mai 1958 der Seligsprechungsprozeß für den Diener Gottes eröffnet.

Gebe Gott, daß in Hans Merz der Kirche am Himmel der Heiligen ein neuer Stern aufgehe als Licht vor allem für eine Jugend, die weithin im Finstern sitzt!

 

ANDREAS SCHÖNBERGER

 



2 In der Bundesrepublik dürfte die Situation nicht viel anders sein. Man lese einmal den folgenden Auszug aus der Dokumentation »Der Papst in Deutschland« von Hannes Burger, Südwest-Verlag München, 1980, und man wird feststellen, welche Welten heutige katholische Jugendarbeit vom Inhalt und den Methoden des Jugendapostolates eines Hans Merz trennen: »... Die Großstadt ist da besonders schwierig. Nicht, daß es dort keine Jungen mehr gäbe, die sich interessierten für die Kirche, für das religiöse Leben, für Gott. Es scheint nur so zu sein, daß sie andere Probleme haben, als sie von der Kirche oft vorgesehen sind. Eine Woche vor dem großen Ereignis (des Papstbesuchs), in einer Gruppenstunde der Münchener Pfarrei St. Bonifaz, hatten wir uns umgesehen, ein paar Fragen gestellt. Was ihre Probleme seien? >Die Anonymität in der Großstadt<, >wie schwer es oft ist, Freundschaften zu schließen<, >daß wir bis vor kurzem keinen Jugendkaplan hatten<. Von der Verderbtheit der Welt und wie man sie bekämpft, war weniger die Rede. Und die Einstellung zum Papst, zu den strengen Regeln, die er so sehr bekräftigt? >Das ist doch obligatorisch<, hatte Gabi gesagt, >daß ein Papst so redet! Fänd’ ich direkt schlecht, wenn er sagen würde, Geburtenkontrolle ist Spitze.< Ob sie sich also insoweit selbst an die Lehren Johannes Pauls halten würde? >Aber nein, das natürlich nicht, wenn ich es nicht einsehe.« (...) Insgesamt hatten von den neun Jugendlichen am Ende drei geglaubt, sie würden teilnehmen an der großen Messe (des Papstes), die anderen hatten schon gewußt, daß sie daheim bleiben würden. Gewiß war die Gruppenstunde von St. Bonifaz nicht repräsentativ gewesen, >aber so ungefähr ist es schon überall<, hatte Pater Anselm, ihr Kaplan, gesagt. (...) Daß die Christliche Arbeiterjugend gar nicht auftritt (auf der Theresienwiese), fällt wohl niemandem auf: Die hatte dem Papst bei der Gabenbereitung ein Mofa schenken wollen für die Gemeindearbeit in der DDR, war aber davon wieder abgebracht worden. Auch die Pfadfinder bringen ihren Kuchen in Gestalt eines Atomkraftwerks (>Harrisburger<) nicht mit, um den es ebenfalls heftige Diskussionen gegeben hatte. Und dann kommen also die beiden Diözesan-Vorsitzenden des BDKJ, die dem Papst stellvertretend für alle Jugendlichen hier sagen sollen, was sie bewegt: Franz Pateranderl hält sich an den verteilten Text, versucht nur vorsichtig, den Papst darin auf jene Rolle des Kämpfers gegen die Ungerechtigkeiten der Welt festzulegen, in welcher ihn die Jugendlichen wohl am liebsten sehen. Dann kommt Barbara Engl und sagt etwas, was nicht im Text stand, der nach Rom geschickt worden war, etwas, was deshalb der Papst auch kaum kannte, wohl aber Kardinal Ratzinger, der mit der Änderung angeblich einverstanden war. Und Frau Engl spricht - sehr unaufgeregt, höflich, aber auch sehr deutlich davon, wie schwer die Kirche in der Bundesrepublik für Jugendliche zu verstehen sei, weil sie ängstlich an den bestehenden Verhältnissen festhalte, die Unterschiede zwischen den Konfessionen zu sehr betone, auf die Fragen der Jugendlichen zu Freundschaft, Sexualität und Partnerschaft zu sehr mit Verboten reagiere ...« (S. 138/139).