Ivan Merz

GEISTLICHE ERNEUERUNG NACH DER LITURGIE
Vortrag bei einem katholischen Schuljugendtreffen in Požega im August 1924

(Zeitschrift „Luč“, Zagreb, den 4. November 1924, Jg. XX./Nr. 1, S. 11–17)

Wenn wir uns die Geschichte der Kirche Christi ansehen, werden wir von der Vielzahl von Orden, Heiligen, Institutionen und Meisterwerken aller Art begeistert. Wahrlich können wir die Geschichte des katholischen Volkes mit Stolz und Freude betrachten: das Heldentum der ersten Märtyrer und Kreuzfahrer, der apostolische Eifer der hl. Franz und Dominikus und ihrer Brüder, die weise Staatskunst der hl. Ludwig und Heinrich, die Gelehrsamkeit der hl. Thomas und Teresa. Auf die Kirche und ihre Geschichte können wir die Worte der Heiligen Schrift zu Recht anwenden: Circumdata varietatibus (Ps 44,10)[1].

Wenn wir uns jedoch all diese Vielfalt der Kirche in verschiedenen Jahrhunderten und unter verschiedenen Völkern genauer ansehen, werden wir zu dem Schluss kommen, dass die Grundlage für diese Vielfalt das geistliche Leben der Einzelnen ist – die Beziehung ihrer Seele zu Gott und die Tätigkeit der Gnade Gottes in ihrer Seele. Dies ist das Wesentliche, Substanzielle, während alle anderen Manifestationen des religiösen Lebens, alle diese sichtbaren Ausdrücke der Tätigkeit des Heiligen Geistes in der Geschichte der Menschheit unwesentlich und akzidentell sind.

Wir, die wir in den Organisationen der sog. Katholischen Aktion – dieser zeitgenössischen Manifestation der Tätigkeit des Heiligen Geistes in der Kirche – versammelt sind, sind durch diese wichtige Bewegung, die einen ganz besonderen Platz in der Kirche einnimmt, mit früheren Generationen von Katholiken verbunden. Dieses ganze System von Laienorganisationen mit dem Ziel, katholische Prinzipien im Leben von Einzelpersonen, Familien und der menschlichen Gesellschaft zu festigen, anzuwenden, zu schützen und zu verteidigen – dieses ganze System entspricht den Bedürfnissen der heutigen entchristianisierten Gesellschaft voll und ganz. Die Methoden des Handelns, die wir heute anwenden, wären in den vergangenen Jahrhunderten sicherlich nicht angemessen gewesen, während die Methoden der vergangenen Jahrhunderte heute in vielerlei Hinsicht veraltet wären. Doch all diesen verschiedenen Handlungsmethoden liegt das geistliche Leben der Katholiken zugrunde, welches über alle Zeitalter hinweg gleich gewesen ist und das ursprüngliche Prinzip all dieser verschiedenen Aktivitäten ist.

Wollen wir also unsere Rolle als Mitglieder der Katholischen Aktion würdig erfüllen, müssen wir unbedingt die Grundlagen unserer Arbeit erkennen, um jenes universelle geistliche Leben anzunehmen, das unter allen Völkern und über alle Jahrhunderte hinweg unverändert bleibt.

Ich glaube, ihr versteht, worauf ich abziele: Was alle Katholiken gemeinsam haben, ist ihr religiöses Leben. Je vollkommener dieses religiöse Leben ist, desto erfolgreicher wird die Arbeit der Einzelnen an der „Erneuerung von allem in Christus“ (Eph 1,10) sein. Da der Mensch ein soziales Wesen ist, das sich auf seinen Nachbarn stützen muss, muss sich jeder Einzelne der Errungenschaften anderer bedienen, wenn er sich in irgendeiner Hinsicht – auch religiös – vervollkommnen will: Mit einem Wort, er muss von anderen lernen, wie man geistlich lebt.

Und gibt es denn eine bessere Lehrerin des geistlichen Lebens als die heilige Kirche, die neben ihrer zweitausendjährigen Erfahrung unter dem Einfluss des Heiligen Geistes selbst handelt? Kann es bessere Methoden geben als die, die die Kirche lehrt? Lasst uns deshalb demütig an ihre Tür klopfen und sie bitten, die Führerin unseres geistlichen Lebens zu sein; lasst uns sie darum bitten, dass unser begrenztes, wertloses Leben an ihrem unendlichen Innenleben teilnehmen möge, dass sich unsere armen Seelen bis zu der Unermesslichkeit des göttlichen Lebens ausdehnen mögen.

Die Kirche erreicht dies durch ihre heilige Liturgie. Die Liturgie ist das offizielle Gebet der Kirche, das offizielle Gebet der Braut Christi, ein Gespräch zwischen der Braut und dem göttlichen Bräutigam. Oh, wie gern hören wir einem Gespräch zwischen zwei sehr weisen Menschen zu; es scheint uns dann, als ob sich unsere Brust ausdehnen würde und wir selbst werden weiser. Wie viel mehr sollten wir dann auf das Gespräch zwischen Christus, unserem Gott, und der Kirche horchen, die ihm ähnlich ist! Wollen wir diese ganze Ideenwelt vernachlässigen, wollen wir nicht zulassen, dass sie unser Leben zu den unermesslichen Höhen des göttlichen Lebens emporhebt? Gott bewahre! Und wenn ihr dazu noch daran denkt, dass jede menschliche Seele die Braut Christi ist und dass eure Seele ein Spiegel des unendlichen Wortes Gottes wird, dann fragt ihr euch verwundert: Herr, kann es denn sein, dass Du so ein begrenztes Wesen zum Träger der Ewigkeit gemacht hast, dass du mit der menschlichen Seele so viele Wunder wirkst?

Zu all diesen Einsichten gelangen wir durch die heilige Liturgie. Es ist daher notwendig, sie möglichst gründlich kennenzulernen und aus ihr möglichst viel Nutzen zu ziehen. Hier ist das Wichtigste. Das Größte auf der Welt ist die hl. Kirche; das Größte in der Kirche ist die Messe; das Größte in der Messe ist die Wandlung. So wie Christus während seines irdischen Lebens alle seine Gedanken auf Golgota gerichtet hatte, so richtet die Braut Christi, die Kirche, alle ihre Blicke auf den Altar. Was also am Altar geschieht, ist das Größte, was überhaupt auf der Welt geschieht. Dort vollzieht sich ein besonderer sozialer Akt – das Gebet und Opfer, das Jesus zum Heil der ganzen Welt auf dem Kalvarienberg darbrachte und das die katholische Hierarchie, diese Trägerin der Priesterordnung Christi, Gott öffentlich für und im Namen aller Menschen darbringt.

Damit wir aber die volle Größe dieses Aktes verstehen und aus ihm Nutzen ziehen können, ist die Heilige Messe in ein besonderes Gewand gekleidet. Die Gebete, die in der Messe gesungen und gebetet werden, sind echte Meisterwerke der Literatur und Musik; die Gewänder und Gesten, die diesen Gottesdienst verschönen, bereichern unsere Erkenntnis. Verschiedene liturgische Zyklen im Jahreskreis machen uns mit den zentralen Geheimnissen unseres heiligen Glaubens vertraut. So lernen wir im Laufe des Jahres das gesamte Leben Jesu kennen. Im Advent betrachten wir, wie das Wort Gottes im unendlichen Schoße des himmlischen Vaters ruhte; zu Weihnachten beobachten wir, wie er wie ein Adler die Finsternis der Welt durchbricht und in den Stall von Betlehem hinabsteigt. Wir begleiten ihn weiterhin in seinem Missionsdienst, weinen mit Maria unter dem Kreuz, jubeln vor Freude nach der Auferstehung, empfangen seine Gaben zu Pfingsten und warten darauf, dass die Nachpfingstenzeit zurückkehrt und dass Er auf den Wolken erscheint, mit himmlischer Pracht bekleidet, umgeben von Engeln und Heiligen. All diese Phasen des Lebens Jesu erleben wir durch die Liturgie. Wir versuchen in die Seele des Heilands in bestimmten Momenten einzutauchen und fragen uns, was er bei dieser oder jener Gelegenheit gedacht hat:

„Was dachtest du, unser Heiland, als du im Stall von Betlehem auf dem rauen Stroh lagst? Sicherlich müssen wir dir nachfolgen und uns mit wenig zufriedengeben, die Armut lieben. Vielleicht hast du Traurigkeit in deiner Seele empfunden, weil du die Vernichtung von Betlehem vorausgesehen hast, weil es dort keine Herberge für dich gab? Deine Gedanken segelten weiter: Du hast über jene Völker getrauert, die sich weigerten, dich und deine heilige Kirche zu empfangen, die gleichfalls das traurige Schicksal von Betlehem erwartet.“  Und während wir über das Evangelium nachdenken, das zu Weihnachten aus dem Messbuch gelesen wird, weckt der Heilige Geist in uns Gefühle großer Liebe zum Christkind und wir antworten ihm: Es ist wahr: Wie oft habe auch ich gesündigt, wie oft habe ich deine Lehre verachtet, auch ich verdiene kein glücklicheres Schicksal als die Einwohner von Betlehem. Und was ist mit unserem Volk? Wenn wir uns ansehen, oh Jesus, wie es von deiner Lehre abgewichen ist, wie Fluchen und Unglaube in ihm herrschen, dann fürchte ich um seine Zukunft. Ich fange an zu glauben, dass es das Schicksal von Betlehem verdient. Aber dennoch, Jesus, mein lieber Jesus, erinnere dich daran, dass du nicht in die Welt gekommen bist, um sie zu zerstören, sondern um sie zu retten, und deshalb verspreche ich dir persönlich, dass ich für meine Sünden und für die Sünden meines Volkes Buße tun werde, indem ich dich nachahmen und die heilige Armut lieben werde. Ganz konkret: Ich werde heute folgende Opfer darbringen und ich werde freundlich zu allen sein, oder ich werde nach dem Mittagessen keinen einzigen Kuchen essen, oder ich werde mich vor diesem und jenem demütigen und ihm meine Fehler eingestehen…“

Auf diese Weise denken wir das ganze Jahr über über das unermessliche Leben Christi nach. Unsere Seele wird so zu einem Spiegelbild der Unermesslichkeit selbst. Die Liturgie enthüllt für uns das Leben der seligen Jungfrau Maria, das Leben der Engel und schließlich die gesamte Geschichte der heiligen Kirche, wie sie sich in ihren Vertretern – den Heiligen – widerspiegelt. Wenn wir über all diese Geheimnisse nachdenken, werden wir schon auf Erden Teilhaber am Wesen Gottes; wir werden in gewisser Weise göttlich.

Besonders schön sind die Messen, die der seligen Jungfrau Maria gewidmet sind. Schauen wir uns zum Beispiel die Lesung aus dem Fest des heiligen Rosenkranzes an: „Der Herr besaß mich am Anfange seiner Wege, ehe er etwas schuf von Anbeginn her. Von Ewigkeit her bin ich eingesetzt, von alters her, bevor die Erde geworden. Noch waren die Tiefen nicht, doch ich war schon empfangen“. Diese Worte aus den Sprichwörtern (8,22-24; 32-35) wendet die heilige Messe auf die selige Jungfrau Maria an. Hier sind einige Betrachtungsanregungen. Bevor der Herr sein größtes Meisterwerk schuf – welches mit seiner Schönheit und Lieblichkeit das gesamte Weltall mit all seinen Wundern übertrifft, sogar die Engelschöre –, bevor also die ewige Weisheit die selige Jungfrau Maria schuf, empfing Er sie in seinen Gedanken. Oh, die endlose Freude des Großen Künstlers, der seine Kunst seit Beginn der Welt genießt! Und als ob der Urkünstler ungeduldig auf die Stunde gewartet hätte, um dieses Meisterwerk aller Meisterwerke zu schaffen, skizzierte er die Hauptmerkmale seines zukünftigen Kunstwerks in den vormarianischen Jahrhunderten: Werden wir nicht an Maria erinnert, wenn wir Eva, diese Zierde des irdischen Paradieses, oder Sara betrachten? Oder nehmt die reine und schöne Rebekka, die leidtragende Rahel, die siegreiche Schwester Moses, Miriam, die dienende Rut, die mächtige Judit, die demütige Ester, die heldenhafte Mutter der Makkabäer… In all diesen alttestamentlichen Frauen werdet ihr eine Skizze derjenigen, die die Mutter Gottes werden sollte, erkennen. Und wenn wir mittels der allerheiligsten Liturgie in das Innenleben Gottes eintauchen, schöpfen wir daraus unsere Handlungsmethode: Wollen wir ein großes Meisterwerk hervorbringen, z. B. eine Organisation gründen, eine einzige Seele erziehen, einen einzigen Gegner bekehren, müssen wir einen ganz genauen Plan machen, wie wir unsere Absicht in die Tat umsetzen werden. Und diese Grundidee wird unsere innere Aufmerksamkeit so fesseln, dass sich unsere endgültige Absicht auch im Rest unserer Taten unbewusst widerspiegeln wird. So wie Rut, Ester und Debora einige Merkmale Mariens tragen, so wird unser endgültiges Werk alle unsere anderen Werke bestrahlen. Ebenso wie der Herr selbst vor der Erschaffung der Welt große Kontemplation ausgeführt hat, muss jeder einzelne Katholik mindestens einen kurzen Akt der Kontemplation ausführen, bevor er mit seiner täglichen Arbeit beginnt.

Aus dem oben Gesagten ist klar, dass die heilige Liturgie die beste Grundlage für die Kontemplation ist. Da es noch keine vollständige kroatische Ausgabe des Messbuchs gibt und da die vom Heiligen Stuhl geforderte feierliche gesungene Messe bei uns noch nicht verbreitet ist, beziehen sich folgende Anweisungen nur darauf, was unter den gegenwärtigen Umständen durchführbar ist. Alle diese Anweisungen können auf drei Ratschläge zurückgeführt werden:

1. Lies täglich geistliche Literatur
2. Betrachte täglich aufgrund des Messbuchs
3. Wohne nicht der Messe bei, ohne die Kommunion zu empfangen.

1.

Wenn wir die Bedeutung des Messbuchs, seiner Gebete, Sequenzen, Psalmen und Lesungen richtig und tief verstehen wollen, brauchen wir solides religiöses Wissen. Lassen wir keinen einzigen Tag vergehen, ohne dass wir unser religiöses Wissen bereichern. Wir sollten das nicht für eine Angelegenheit unseres guten Willens halten, sondern vielmehr davon überzeugt sein, dass das unsere Pflicht ist. Die heutige Schule kümmert sich nicht um diese Unterweisung. Lasst uns diese Mängel der Schule selbst ausgleichen. Auskunft über die für diesen Zweck geeigneten Bücher erhaltet ihr von euren Seelsorgern. Achtet darauf, dass ihr das ganze Leben des Heilands und das Leben der bekanntesten Heiligen gut kennenlernt.

2.

Nachdem ihr das Leben des Heilands kennengelernt habt, wird euch das Messbuch selbst klarer. Die kroatische Übersetzung des Messbuchs enthält Messen für alle Sonntage des Jahres sowie die wichtigsten Festtage. Jeden Abend lest entweder die Messe des nächsten Tags oder das gesamte Kapitel aus dem Evangelium oder aus dem Brief, die am nächsten Sonntag gelesen werden. Wählt daraus einen oder mehrere Sätze aus, die eurer Meinung nach euren geistigen Bedürfnissen entsprechen, und schlaft mit diesen Gedanken ein.

Bemüht euch, wenn irgend möglich, jeden Tag dem heiligen Messopfer beizuwohnen. Ob ihr eure kontemplative Betrachtung außerhalb oder während der Messe ausführen werdet, hängt davon ab, wie viel Zeit euch zur Verfügung steht. Und ich wäre auf jeden Fall dafür, dass ihr während der heiligen Messe nichts anderes betet als die Messe selbst. Da die Zeit begrenzt ist, könnt ihr die Sätze, die ihr vor dem Schlafengehen gewählt habt, bis zur Elevation betrachten. Auf diese Weise betrachtet ihr die in der heiligen Messe vorgebrachte Idee und verbindet das liturgische Gebet mit gewöhnlicher Meditation. Ich möchte euch jetzt kurz an die Hauptmomente jeder Kontemplation erinnern. Bereitet zunächst den Gegenstand der Kontemplation vor. Das habt ihr am vorigen Abend gemacht. Dann kommt die Reue über die Sünden – hier muss man ganz konkret sein – und das Gebet um Vergebung. Seid euch der Gegenwart Gottes bewusst: Ihr solltet fühlen, dass er bei euch ist, dass ihr in seiner Gegenwart kniet und dass er ein wachsames Auge darauf hat, wie ihr eure Kontemplation ausführen werdet. Ihr könnt euch auch vorstellen, dass Jesus auf euch vom Tabernakel aus schaut. Wenn ihr euch der Gegenwart Gottes bewusst geworden seid, baut in eurer Vorstellung eine Umgebung auf, in der beispielsweise eine Evangeliumsszene stattfindet. Stellt euch also zu Weihnachten einen Stall vor und darin Maria, Josef, einen Ochsen und einen Esel mit allen Einzelheiten, die euch in den Sinn kommen. Dies ist ein unentbehrliches Mittel, um zu verhindern, dass eure Gedanken entfliehen und sich zerstreuen. Bittet nun Gott, dass er diese eure kontemplative Betrachtung segnet und euch alle Gnaden gewährt, die ihr durch diese Betrachtung erhalten möchtet.

Das alles war nur Vorbereitung. Die wirkliche Kontemplation fängt gerade erst an und verläuft so, wie wir bereits in der Betlehem-Szene oder in der Besinnung über die Erschaffung Mariens gezeigt haben. Bei dieser kontemplativen Betrachtung geht es weniger darum, große und inbrünstige Gefühle in sich selbst zu entfachen, als vielmehr darum, ganz konkrete Entscheidungen zu treffen, dass ihr noch am selben Tag einige Opfer darbringen werdet, indem ihr eine bestimmte Sünde bezwingt oder eine gute Tat tut. Man sollte sich davor hüten, allzu allgemeine Entscheidungen zu treffen, z. B. ich werde demütig, gut usw. sein. Zum Schluss ist für die erhaltenen Gnaden zu danken und kurz die ganze Betrachtung zu wiederholen.

Versucht, vor der Elevation fertig zu sein. Bei der Elevation solltet ihr eure Entscheidungen, eure kleinen Opfer in Gemeinschaft mit dem Opfer Christi an Gott Vater darbringen und ihn darum bitten, er möge es annehmen und euch selbst eines Tages zu Teilhabern der zweiten göttlichen Person machen, damit sie euch mitten ins Herz der Heiligen Dreifaltigkeit hineinbringt.

Lasst das Bild aus eurer Betrachtung in eurer Vorstellung bleiben. Seid euch bewusst, dass derselbe Jesus, über den ihr vor einiger Zeit gedacht habt, dort in der Krippe liegt und dass er sich in seinem Herzen sehr danach sehnt, sich mit eurem Herzen und mit den Herzen aller anderen Gläubigen in der Kirche zu vereinen.

3

Fest steht, dass die heilige Messe ohne heilige Kommunion etwas fragmentarisch ist. Der Heiland hätte unter den Gestalten von Gold oder Stein Fleisch werden können, tat dies jedoch nicht, sondern wählte die Gestalten von Brot und Wein und lud uns damit ein, uns bei jeder heiligen Messe von ihm zu nähren. Als mystischer Leib Christi, die Fülle des Leibes Christi, opfern wir uns in der heiligen Messe gedanklich. Das Opfer ist nur dann vollständig, wenn wir uns mit Jesus in der Messe durch die engsten Bande der Liebe vereinen, so dass ein Wesen zu dem anderen verschmilzt. Dies geschieht durch die heilige Kommunion. Deshalb empfingen die ersten Christen bei jeder Messe die Kommunion. Darüber hinaus ermutigte das Konzil von Trient noch vor 350 Jahren die Christen, die Kommunion bei jeder heiligen Messe zu empfangen. Lasst uns dasselbe tun, lasst uns zeitgenössische Katholiken sein, lasst uns durch die heilige Kommunion Teilhaber am unendlichen Leben des Wortes Gottes werden. In diesem Akt, in dem sich euer Körper und eure Seele mit der Gottheit selbst vereinen, soll der Höhepunkt eures Lebens sein. Dieser Akt ist auch der Höhepunkt der gesamten Liturgie. Alle großartigen Gebete und Gesänge, alle eure kontemplativen Betrachtungen, alle eure täglichen Taten müssen christozentrisch sein; sie müssen auf diese höchste Stunde eures täglichen Lebens gerichtet sein. Auf diese Weise erfüllt sich schon auf Erden euer Endzweck und ihr werdet Teilhaber am Wesen Gottes.

Wir Katholiken vernachlässigen solchen großen Schatz, und dennoch sind wir überrascht zu sehen, dass unsere Arbeit oft keinen Segen hervorbringt.

Durch die liturgische Betrachtung wird jeder Katholik groß und universell. Er legt seine persönlichen Interessen beiseite und beginnt zu fühlen, was die Kirche, dieses herrliche Spiegelbild des unermesslichen Christus, selbst fühlt. Auf der Grundlage der Liturgie wird jede einzelne Seele erzogen. Die Liturgie ist Pädagogik im wahrsten Sinne des Wortes, weil mit ihrer Hilfe der Gläubige alle Phasen des ewigen Lebens Christi in seiner Seele durchlebt. Durch die katholische Liturgie vereint, betrachten Menschen auf der ganzen Welt am selben Tag dieselben Dinge, womit das Bewusstsein der katholischen Einheit aller Völker gestärkt wird. Schließlich erweist der Mensch in der Liturgie Gott auf vollkommenste Weise die schuldige Ehre. Ein Gläubiger, der liturgisch betet, schließt sich den Engelschören an, die den Schöpfer ohne Unterlass preisen, und tatsächlich fängt er mithin an, sich bereits auf dieser Erde in jenem Dienst zu üben, den er voller Freude und Hochgefühls in der Ewigkeit ausführen wird. „Wer leugnet, daß die Welt zur Ehre Gottes geschaffen ist: der sei mit dem Anathema belegt“, sagt das Erste Vatikanische Konzil[2]. Lasst auch uns, Vernunftwesen, Gottes Lob singen; lasst uns unsere Gebete und Gesänge mit den nostalgischen Gebeten und Gesängen der Braut vereinen, die sich hier in diesem Tal der Tränen und der Verbannung nach ihrem göttlichen Bräutigam sehnt. Möge unser Gebet fortan sozial, mit der heiligen Kirche vereint sein – möge es liturgisch sein!

Aus dem Kroatischen übersetzt von Robert Matečić


[1] „Umgeben von bunter Pracht“. Merz zitiert die Vulgata. In den neueren Übersetzungen sind diese Worte in Ps 45,10 zu finden.

[2] Dogmatische Konstitution „Die Filius“, Kanon 1